Position: Nahost-Konflikt

Einführung

 

Als katholische Studierende Jugend ist es unsere Pflicht, die Augen nicht vor dem Leid der Welt zu verschließen. Besonders im Nahostkonflikt sind es oft die unschuldigsten und verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft – Kinder und Jugendliche – die unter den Folgen von Gewalt, Krieg und Diskriminierung am meisten leiden. Unser Glaube ruft uns zu Solidarität auf, zu einem tiefen Engagement für Gerechtigkeit und Frieden und zur Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung und Hass.

 

Der Auftrag der KSJ ist es, sich für die Interessen der Kinder und Jugendlichen einzusetzen und ihre Lebenswirklichkeit in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Durch unser Engagement und wirken haben wir die Möglichkeit dazu, auch die Zukunft der Kinder und Jugendlichen aktiv mitzugestalten und zu verbessern. Im Nahostkonflikt sehen wir mit Erschrecken, dass Kinder und Jugendliche tagtäglich Gewalt, Unsicherheit und systematischer Ungerechtigkeit ausgesetzt sind, die ihnen jegliche Perspektiven auf eine hoffnungsvolle Zukunft nehmen. Durch die ständige Bedrohung und den Verlust familiärer sowie sozialer Sicherheit und Stabilität werden ihnen grundlegende Rechte und Chancen auf Bildung, Frieden und eine unbeschwerte Kindheit verwehrt.

 

Der Nahostkonflikt hat für die Kinder und Jugendlichen zur Folge, dass ihre Zukunftsaussichten eingeschränkt sind, sodass sie diese nicht mehr aktiv gestalten können, da sie oft über Jahre in einem Schwebezustand leben und nicht wissen, wie es weitergeht.  Sie erleiden Traumata, die sie über Jahre oder ein Leben lang begleiten werden.

 

Wir sehen es daher als unsere Aufgabe, als Gemeinschaft und Jugendverband hinzuschauen und Stellung zu beziehen. Solidarität bedeutet für uns nicht nur Mitgefühl, sondern aktives Engagement: gegen Gewalt, für Frieden und für eine lebenswerte Zukunft für alle jungen Menschen. Indem wir uns mit den Betroffenen solidarisieren, tragen wir zu einem Dialog bei, der den Fokus auf Menschlichkeit, Versöhnung und konstruktive Lösungsansätze legt. Wir möchten dazu beitragen, dass Bewusstsein für die Anliegen der Kinder und Jugendlichen zu schärfen, die in diesem Konflikt oft nicht gesehen werden. Hierzu wollen wir durch gezielte Bildungsarbeit inner- sowie außerverbandlich den interkulturellen Austausch fördern, indem wir jungen Menschen den Raum geben sich mit der aktuellen inländischen sowie weltpolitischen Lage auseinanderzusetzen.

 

Wir beurteilen die Kriegssituation in Nahost als internationalen bewaffneten Konflikt, sprechen im Folgenden davon als „Krieg“. 

 

Aktualitätsbezug

 

Am 07. Oktober 2023 überfielen Mitglieder der terroristischen Hamas den Staat Israel. Über 1.000 Anhänger*innen der Hamas, des islamischen Dschihads und verbündete palästinensische Milizen überquerten die Grenze zwischen dem Küstenstreifen Gaza und dem Süden Israels. In den folgenden Stunden verübten die Terroristen den schlimmsten Massenmord an Juden seit dem Holocaust durch die Nationalsozialisten zwischen 1939 und 1945. Sie töteten über 1.200 Menschen, vergewaltigten Frauen und nahmen etwa 200 Geiseln. Darauffolgend startete das israelische Militär eine Bodenoffensive in Gaza gegen die Hamas. Bei unzähligen Luftangriffen Israels und Häuserkämpfen starben dem Ministry of Health (MoH) zufolge etwa 45.000 Menschen.

 

Am israelischen Volk sind die Beziehungen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten auf einen neuen Tiefpunkt gelangt. Weder den Vereinten Nationen, der palästinensischen Autonomiebehörde (PLO), Vertreter*innen von Anrainerstaaten und/oder Verbündeten der Hamas und Israels gelang es bisher die Wogen zu glätten und eine Lösung für die kriegerischen Handlungen zwischen Israel und den Terrororganisationen Hamas und Hisbollah zu finden.

 

Aufgrund der sich weiter eskalierenden Lage des Nahost-Konflikts sehen sich die Menschen in Israel, im Gazastreifen und dem Westjordanland zunehmend schlechten Lebensbedingungen ausgesetzt. Dies hat enorme Auswirkungen auf das Leben von Kindern und Jugendlichen. Der terroristische Anschlag auf Israel und der daraus folgende Krieg hat tausende Kinder zu Waisen gemacht und ihnen jegliche Grundlage für eine sichere Zukunft genommen. Während sich die Jugend in Israel tagtäglich mit der direkten Bedrohung durch Terroristen konfrontiert sieht, hängen die Leben der Kinder und Jugendlichen in Gaza in der Schwebe. Krankheiten und Hungersnöte bedrohen die Existenzgrundlage von hunderttausenden Kindern.

 

Humanitäre und medizinische Güter kommen nur vereinzelt oder gar nicht mehr in die betroffenen Gebiete. Zudem verschlechtert sich zunehmend die Versorgung durch das Verbot des UNRWA-Hilfswerks der Vereinten Nationen durch die Knesset. Seit dem Anschlag der Hamas auf Israel warnten verschiedenen Akteur*innen in der Region vor einer Eskalation der kriegerischen Handlungen. Um zu verhindern, dass es zu einem offenen Krieg zwischen Israel und Verbündeten der Hamas und der Hisbollah kommt, forderten unter anderen die Vollversammlung der Vereinten Nationen, der IStGH in einem Urteil und die Europäische Union einen Waffenstillstand. Dieser soll die Möglichkeit bieten die katastrophale humanitäre Lage in den Kriegsgebieten zu verbessern und weitere Opfer unter der Zivilbevölkerung zu verhindern.

 

Dennoch ist keine Konfliktpartei bereit den ersten Schritt in Richtung einer Friedensverhandlung zu gehen. Mittlerweile hat sich der Krieg sogar noch auf den Libanon, den Iran und Teile des Jemens ausgeweitet. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, aber auch andere europäische Staaten haben Kriegsschiffe und Staffeln ihrer Luftwaffe in die Region verlegt. Es wird befürchtet, dass es zu einer Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region kommt. 

 

Solidarität als Ausdruck des Glaubens

 

Die KSJ setzt sich für soziale Gerechtigkeit und übergreifende Solidarität im Nahenosten ein. Besonders im Fokus stehen die Kinder und Jugendlichen, die unter den Folgen des Nahostkonflikts leiden. Ihre Stimmen bleiben oft ungehört, während sie in Flüchtlingslagern leben und keinen Zugang zu Bildung oder psychosozialer Unterstützung haben, oder in Sorgen vor Anschlägen und angriffen leben. Nächstenliebe bedeutet, Empathie für diese jungen Menschen zu zeigen und ihre Perspektiven zu stärken.

 

Jugenverbände, wie die Katholische Studierenden Jugend, können entscheidende Brücken des Dialogs und der Versöhnung in gespaltenen Konfliktkontexten bauen. Initiativen, die den Austausch zwischen Konfliktgruppen fördern, sind zentral, um Vorurteile abzubauen und Verständnis zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen zu schaffen. Bildungsprojekte, die Aufklärung über die Ursachen des Konflikts und die Perspektiven der Betroffen bieten, sind besonders wichtig, um eine differenzierte Sichtweise zu entwickeln. Interkulturelle Dialogformate ermöglichen es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Deeskalation zu fördern.

 

Als Glaubensgemeinschaft können wir Solidarität mit Betroffenen auf allen Seiten zeigen, indem wir uns auf humanitäre Anliegen konzentrieren und uns nicht in politische Instrumentalisierungen verwickeln lassen. Durch diesen Ansatz bleibt der Glaube fest verankert, während wir die vielfältigen Narrative des Konflikts respektieren und eine gemeinsame Basis für Frieden und Verständigung schaffen.

 

Gegen jegliche Diskriminierung

 

Wir als KSJ verurteilen jegliche Form von Diskriminierung aufs Schärfste. Unsere Gesellschaft soll durch den Krieg in Israel und Gaza nicht noch weiter gespalten werden. Stattdessen wollen wir uns gegen Rassismus wenden und geflüchtete Menschen sollen unabhängig ihrer Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung und ihrem Geschlecht von uns und unseren europäischen Partner:innen aufgenommen werden.

 

Des Weiteren verurteilen wir Antisemitismus und alle zugehörigen verbalen, sowie nonverbalen Angriffe auf jüdische Glaubensanhänger*innen, wie auch Angriffe auf religiöse Einrichtungen. Jene Angriffe/ terroristischen Anschläge sind eine humanitäre Tragödie und haben nicht zu geschehen und wenn doch, nicht ohne Konsequenzen zu verbleiben. 

 

Dasselbe gilt auch in Bezug auf antimuslimischen Rassismus, von dem muslimische Glaubensanhänger:innen und Personen, die als solche gelesen werden, betroffen sind.

 

Bei einem Konflikt, bei dem die Grenze zwischen einseitiger Kritik und ausgrenzendem Denken oft verschwimmt, wollen wir Sensibilität entwickeln und wahren.

 

Ein Konflikt, unter dem viele Menschen individuell und kollektiv leiden, darf nicht zur Projektionsfläche von Hass und Hetze werden. Beides ist mit unseren Werten und unserem Verständnis von Gerechtigkeit und Gleichheit nicht vereinbar.

 

Sensibilität gegen Hass und Gewalt

 

Erziehung und Bildung spielen eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Sensibilität gegenüber Hass und Gewalt. Gerade in Konfliktregionen wie dem Nahen Osten ist es entscheidend, jungen Menschen zu zeigen, wie sie Feindseligkeit und Vorurteilen begegnen und stattdessen Werte wie Mitgefühl, Respekt und Frieden entwickeln können. Schulen, Gemeinden und Familien tragen hier eine besondere Verantwortung. Ein offener Dialog über unterschiedliche Sichtweisen, die kritische Auseinandersetzung mit Vorurteilen sowie Projekte zur Stärkung von Gemeinschaftssinn können dabei helfen, das Bewusstsein für eine gewaltfreie und versöhnliche Gesellschaft zu fördern.

 

Um Kinder und Jugendliche im Nahostkonflikt vor Radikalisierung und Instrumentalisierung durch Hass und Gewalt zu schützen, sind gezielte Maßnahmen und präventive Programme unverzichtbar. Jugendzentren, Freizeitangebote und psychosoziale Unterstützung können Alternativen zur Spirale der Gewalt bieten, die für viele junge Menschen zur Realität geworden ist. Durch positive Erfahrungen und das Gefühl von Zugehörigkeit kann verhindert werden, dass sie in extremistische Ideologien verwickelt werden.

 

Religiöse und gesellschaftliche Führungspersönlichkeiten tragen eine besondere Verantwortung in dieser Herausforderung. Die KSJ kann Vorbild sein, indem sie Friedens- und Versöhnungsbotschaften vermittelt. Durch eine aktive, friedensorientierte Jugendarbeit können junge Menschen auf ihrem Weg begleitet werden und in ihrem Streben nach Gerechtigkeit und Frieden unterstützt werden.

 

Gemeinschaften und Glaubensorganisationen sollten sich darum bemühen, ein Klima der Gewaltfreiheit und des Dialogs zu schaffen. Interreligiöse und interkulturelle Projekte sind hierfür besonders geeignet. Durch den Austausch zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Herkunft können Verständnis und Respekt gefördert werden – ein entscheidender Schritt, um Hass abzubauen und langfristig Frieden zu sichern.  

 

Unser Ziel – Schlussfolgerungen

 

Im Rahmen des Nahostkonflikts, insbesondere nach den Ereignissen vom 7. Oktober 2023, stellt sich erneut die dringende Frage nach einer Sensibilisierung gegenüber Hass, Gewalt und Diskriminierung.

 

Kinder und Jugendliche sind häufig von Gewalt betroffen oder werden in Konflikte mit hineingezogen, sei es durch gesellschaftliche Radikalisierung, die Vermittlung von Feindbildern oder durch die Konfrontation mit Hassbotschaften in sozialen Netzwerken.

 

Unser Ziel als katholischer Jugendverband ist es daher, Sensibilität für die in diesem Positionspapier formulierten Themen zu schaffen, um dazu beizutragen, dass Gewalt stetig reduziert und abgelehnt wird. Unser Fokus liegt somit auf der Ausgestaltung unserer Bildungsarbeit auf allen Ebenen im Verband, welche in ihren Ansätzen auf Dialog und Verständigung ausgelegt sind, auf der Friedenserziehung und der Vermittlung eines verantwortungsvollen Umgangs mit digitalen und analogen Medien.

 

Hierzu hat die KSJ bereits einen Workshop veranstaltet, um über die komplexe Situation im Nahen Osten aufzuklären und das Bewusstsein für die Auswirkungen von Gewalt, Hass und Diskriminierung zu schärfen.

 

Ein zentraler Ansatzpunkt für unsere Arbeit liegt seitdem in der Förderung von interreligiösen und interkulturellen Bildungs- und Aufklärungsprogrammen. Durch Workshops und Schulungen möchten wir die Sensibilisierung für andere Kulturen und Religionen stärken und somit das gegenseitige Verständnis fördern. Dies kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und einen respektvollen Umgang im Alltag zu fördern.

 

Ein weiteres Ziel für die KSJ in der Zukunft könnte die Organisation von Veranstaltungen zum Thema „Frieden“ sein, die ähnlich wie die „Summer Connection“ konzipiert sind. Solche Camps ermöglichen es jungen Menschen, in einem geschützten Rahmen über Themen wie Konfliktlösung und interkulturelle Verständigung zu lernen und praktische Erfahrungen zu sammeln.

 

 

Leitsatz

 

„Als katholischer Jugendverband sehen wir es in unserer Verantwortung, unsere Augen nicht vor dem Leid der Welt, insbesondere der verschlechterten Lebenssituation vieler Kinder und Jugendlichen zu verschließen, die von den Anschlägen des 7.10.2023 betroffen waren und es weiterhin sind. Unser Fokus liegt auf der Unterstützung aller Kindern und Jugendlichen, um Vorurteile im gemeinschaftlichen Umgang miteinander abzubauen und somit eine friedlichere Zukunft zu schaffen. Durch gezielte Bildungsarbeit und interkulturellen Austausch wollen wir Solidarität und den respektvollen Umgang miteinander fördern.“

 

/verabschiedet beim Bundesrat I 2025 (Frühjahrsrat) vom 28.3.2025 - 30.3.2025