Liebe ist Liebe - Partner*innenschaft, Ehe und Sexualität

Die Gesellschaft ist in stetiger Veränderung - auch das Zusammenleben in Familie oder Partner*innenschaft unterliegt dieser Dynamik. Obwohl sich die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil vorgenommen hat, die „Zeichen der Zeit“ zu lesen und den Glauben ins Hier und Heute zu übersetzen (Gaudium et spes1 ), fällt es ihr schwer, die Erkenntnisse der Humanwissenschaften anzuerkennen und sie mit dem Evangelium in Beziehung zu setzen.

Mit ihren veralteten Geschlechterrollen und Familienbildern sowie ihrer Sexualmoral verkennt die Kirche die Lebensrealität der Gläubigen und bietet vielen Menschen daher keine aktuelle und lebensnahe Orientierung mehr. Mit der Definition der Ehe als ausschließlichem und lebenslangem Bund zwischen Mann und Frau, aus dem Kinder hervorgehen sollen, werden u.a. Menschen in gleichgeschlechtlichen Partner*innenschaften, sowie geschiedene oder wiederverheiratete Menschen diskriminiert und ausgeschlossen.

Mehr noch: Die MHG-Studie sieht einen Änderungsbedarf in der kirchlichen Sexuallehre, insbesondere bezüglich der Bewertung von Homosexualität. Durch die Ergebnisse der MHG-Studie und auch durch weitere Prozesse (bspw. dem Umgang mit dem Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln) wird die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der katholischen Sexuallehre und einem System, in dem Vertuschung und Doppelmoral vorherrschen, deutlich. Dies bewerten wir als inakzeptabel. Auch das Sakrament der Ehe hat für viele Glaubende nicht mehr den gleichen Stellenwert früherer Tage. Viele Beziehungen und Partner*innenschaften haben heute einen fast eheartigen Charakter, ohne dabei die formal juristische bzw. sakramentale Bestätigung zu suchen. Diese Entwicklung ist nicht mehr umzukehren, weswegen die Kirche hierauf wertschätzend eingehen sollte, statt solche Partner*innenschaften abzuwerten.

Daher fordern wir:

 

Zu Ehe: 

Trotz einer neuen Lebensrealität von Menschen hält die Kirche immer noch an einer engen Definition der Ehe fest, wie es zuletzt in der Erläuternden Note zum Dubium „Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?“ deutlich wurde. Die Ehe wird in diesem sehr verengten Verständnis auf Sexualität, den Geschlechtsakt und das Zeugen von Nachwuchs reduziert.

Doch Ehe ist viel mehr als das. In einer Ehe geht es um die Liebe füreinander, die bedingungslose Unterstützung, Zuneigung und die Fürsorge im Sinne eines Eintretens für das Wohl des*der Partner*in. Diese Liebe ist unabhängig von der geschlechtlichen Zusammensetzung einer Partner*innenschaft und dies darf von niemandem verurteilt oder angezweifelt zu werden.

Darüber hinaus kann Ehe nicht automatisch mit Fortpflanzung gleichgesetzt werden. Es ist durchaus möglich, dass sich die Liebe zueinander in einem gemeinsamen Kind zeigt, jedoch ist diese nicht daran gebunden. Auch die Ehe von Menschen, die biologisch nicht dazu in der Lage sind, Kinder zu bekommen, kann Früchte tragen.

Daher fordern wir ein Verständnis von Ehe als einen Bund des Lebens, in dem die Zuneigung und Liebe füreinander zentral sind und damit die Anerkennung und Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partner*innenschaften. Denn diesen zentralen Punkt können sowohl gleichgeschlechtliche als auch gemischtgeschlechtliche Partner*innenschaften gleichermaßen erfüllen. Daher sollte allen, auch gleichgeschlechtlichen Partner*innen, die Möglichkeit gegeben werden, ihre Ehe vor Gott* zu schließen!

 

Zur Sexualmoral:

Sexualität beinhaltet mehrere Sinnaspekte: Identität, Lust, Beziehung, Furchtbarkeit, Transzendenz. Die Lehre der Kirche versteift sich oftmals auf den Aspekt der Fruchtbarkeit: eine Ehe nach kirchlichen Recht ist bis heute annullierbar, wenn das Zeugen von Kindern nicht möglich oder nicht gewollt ist. Beziehungen von homosexuellen Partner*innen werden aus diesem Grund abgewertet, weil in ihnen kein neues Leben gezeugt werden kann.  Wir fordern alle Sinnaspekte von Sexualität positiv zu bewerten und in Konzepten zu Sexualität und Sexualmoral einfließen zu lassen.  Sexualität sollte als untrennbar vom Menschen und nicht ausschließlich als Fortpflanzungsinstrument betrachtet werden.

Wir verstehen Sexualität vielmehr in gegenseitigem Einverständnis als Ausdruck und Auslebung eigener relevanter Bedürfnisse und Vorstellungen, sowie von Intimität und Fürsorge. Aus diesem Grund werden sichere Räume und eine offene Grundhaltung in allen Bereichen der katholischen Kirche benötigt, um Jugendliche auch in diesem Thema zur Mündigkeit zu begleiten. Dafür ist unabdingbar Rückhalt von der katholischen Kirche gefragt, damit mit Unterstützung und ohne Angst vor Sanktionierung Orientierung gegeben werden kann. Anstatt zu tabuisieren, gewinnen wir dadurch die Chance, Werte wie Konsens oder Treue zu vermitteln.

Zu Partner*innenschaften:

In der Spätmoderne gibt es eine starke Entwicklung hin zu mehr Individualität und Selbstverwirklichung. Dies führt insbesondere dazu, dass die Partner*innenschaft eine sehr starke Aufwertung erfahren hat, als eine Form des Zusammenlebens und des Liebens, welche mehr Freiheiten bietet als die Ehe, die durch die institutionelle Bindung festgesetzt ist. Für viele ist Partner*innenschaft die Norm, in welcher die Ehe die Krönung der Liebe und nicht mehr den Normalfall darstellt - insbesondere in einer langen Zeitspanne der Partner*innenschaft. Auch weisen Partner*innenschaften schon einige Elemente der Ehe auf. Sie sind in vielen Fällen exklusiv und stellen die Fürsorge für den*die Partner*in - „in guten wie in schlechten Zeiten“ -  sowie den sexuellen Aspekt der Beziehung in den Vordergrund.

Die kirchlichen Reaktionen auf diese gesellschaftliche Entwicklung entsprechen dabei nicht dem Selbstverständnis, welches sich die Kirche in Gaudium et spes  gegeben hat : „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Vielmehr sieht die Kirche Partner*innenschaften als etwas Defizitäres an, auch gegen die gelebte Praxis der Mehrheit der Gläubigen. Beispielweise wird hier auf das Verbot von vorehelichem Geschlechtsverkehr verwiesen - ein Verbot, das im Kontext heutiger Zeit vor allem dazu führt, dass es von der Mehrheit der Gläubigen nicht beachtet und abgelehnt wird.  Infolgedessen werden auch kirchliche Mitarbeitende unter Druck gesetzt, in einer bestehenden Beziehung den Bund der Ehe einzugehen. Teilweise ist es in manchen Diözesen noch immer gängige Praxis, den (zukünftigen) pastoralen Mitarbeitende nachzuspionieren, in welchen partner*innenschaftlichen Verhältnissen diese leben. Diese Praktiken sind klare Verstöße gegen Anti-Diskriminierungsgesetze und auch kirchenrechtlich fragwürdig und müssen unbedingt eingestellt werden. Ebenfalls ist es fraglich, ob die Ehe frei und im Konsens geschlossen werden kann, wenn auf eine*n Ehepartner*in beruflich und finanziell, sowie emotional Druck ausgeübt wird.

Wir fordern die Kirche auf, einen weltoffenen und lebensnahen Diskurs über die Lebenswirklichkeiten und -vorstellungen der Menschen zu führen, um allen Menschen die Möglichkeit zu geben, Orientierung und Halt im Glauben und in der Kirche zu suchen und zu finden, statt mit Verboten, Vorgaben und Diskriminierungen auszugrenzen und zu vergraulen. Dabei sind Werte wie zum Beispiel Vertrauen, Treue, Elternschaft, bedingungslose Fürsorge und Konsens nicht nur im besten Sinne mit der Kernbotschaft des Evangeliums – der Liebe – vereinbar, sondern durchaus auch in der breiten Gesellschaft angestrebte Attribute.

Wir als KSJ sind nicht nur überzeugt davon, dass jeder Mensch ein Abbild Gottes* ist, sondern dass auch jede liebevolle und respektvolle Beziehung zwischen Menschen ein Ausdruck der Liebe Gottes* zu den Geschöpfen ist.

 

(Beschlossen auf dem Frühjahrsrat 2021)